Mit dem Ende des real existierenden Sozialismus vollzog sich nicht nur der größte geopolitische Wandel seit dem Ende des Zweiten Welkrieges, nein dieses weltpolitische Ereignis steht ebenso im Zusammenhang mit popkulturellen Entwicklungen, die sich auf ihren Ausgangspunk in den frühen 1990er Jahren zurückdatieren lassen. Der von den Scorpions, der popkulturellen Inkorporation des neopreußischen Arbeitsethos` leistungswilliger Subjekte, gepfiffene Soundtrack des „Wind of Change“ (1989) zum Niedergang der Systemkonkurrenz , steht – die These vom Ende derGeschichte antizipierend – paradigmatisch für die Hinausdrängung des Saxophons als populärmusikalisch Sag- und Hörbarem.
Die Ära des bedingungslosen (Auf-)Begehrens in „Urgent“ (Foreigner: 1981), der melancholischen Einladung zur (sexuellen) Regelübertretung eines „Careless Whisper“ (Wham!: 1984), oder der kosmopolitisch-offenen Verheißung von „Englishman in New York (Sting: 1988) scheint vorbei und begraben. Im Lichte dieses Wandels bedeutet die ehemals exaltierte Rolle des Pop-Saxophons nunmehr ein vollständiges Überkommensein, ein Zustand des in ewige Verdammnis zurückgedrängten Artefactums. Diese Marginalisierung entspricht keineswegs einzig popkulturellen
Modeerscheinungen, -verwerfungen, oder -trends, vielmehr muss sie im Zusammenhang der spezifischen, sich gegen das Saxophon richtenden Ressentiments (Stichwort: saxoNOphon) und seiner gesellschaftlichen Bedingungen analysiert werden. Die vielfach als Diskurstrategien ins
Felde gezogenen Anfeindungen des Sax‘ als Artifiziellem und Nicht-Authentischem par excellence, als Überzeichnet-Schwülstigem, überflüssigem Zierrat, bis hin zum Vorwurf seiner sexuellen Uneindeutigkeit, richten ihre Energien letztlich auf das ihm immanente – bürgerliche – Glücksversprechen. Dieses durch sein Spiel im Popsong geäußerte Versprechen von expressiver Individualität in Verschiedenheit, die in seiner Orchestrierung tief verankerte Solidarität, und nicht zuletzt sein Glamour steht im tiefen Gegensatz zu neoliberalen Leistungsimperativen und
Subjektivierungspraktiken.
20 Jahre nach Francis Fukuyamas (1992) Proklamation eines Ende der Geschichte und dem vermeintlich endgültigen Triumph der liberal-kapitalistischen Weltordnung stellt sich aus emanzipatorischer Perspektive dringlicher denn je die Frage nach den utopischen Potentialen des
Saxophons. Die kritische Wiederaneignung dieses Möglichkeitsraumes/punktes kann nur gelingen, wenn gleichsam die Frage nach seiner Radikalisierung gestellt wird.
Keine Emanzipation ohne Saxophon!
Vortrag, Diskussion und anschließendes Auflegen von Saxophon Tracks präsentiert von der Gruppe pop.diskurs.kritiq in Zusammenarbeit mit dem Mittwochskafe.
Getränkespecial: Sax on the Beach!
Offen ab 20 Uhr, Beginn ca. 20:30