In weiten Teilen Europas haben sich die Lebensbedingungen im Laufe der Wirtschaftskrise seit 2008 dramatisch verschlechtert. Die Krisenpolitik in Europa wird unter deutscher Hegemonie zur Austeritätspolitik; die Spar- und Kürzungsprogramme stehen für Prekarisierung und Privatisierung. Die Politik der Troika trägt entscheidend dazu bei, dass die Menschen besonders in den südeuropäischen Ländern von wachsender Erwerbslosigkeit, brutalen Kürzungen im Sozialbereich und Verarmung betroffen sind.
Aber nicht nur die Ökonomie befindet sich in der Krise. Die Krise erfasst auch die Politik, die statt demokratischer Teilhabe auf autoritäre Lösungen setzt. Die neoliberalen Angriffe auf soziale Rechte gehen Hand in Hand mit der Verschärfung der Asylgesetzgebung und dem weiteren Ausbau des mörderischen Grenzregimes an den EU-Außengrenzen. Gleichzeitig erleben wir eine erstarkende Rechte und wachsenden Rassismus fast überall in Europa. In Deutschland drückt sich dies u.a. durch zunehmende Übergriffe auf Refugees, rassistische Formierung gegen Asylunterkünfte, antimuslimischen Rassismus und den antiziganistisch geprägten Diskurs zur sogenannten Armutsmigration aus. Die Veranstaltungsreihe System Error möchte die Zusammenhänge dieser politischen Entwicklungen beleuchten und Möglichkeiten des Widerstands gegen europäische Krisenpolitik und rassistischen Rollback diskutieren.
Am Donnerstag, den 21. Mai analysiert Andreas Kemper die Verstrickungen der Strömungen der AfD in europäische Netzwerke:
Rechtspopulismus als Partei
Die ökonomische Krise ist gleichzeitig eine Krise des Politischen. Das Anwachsen reaktionärer Positionen ist in allen europäischen Ländern zu beobachten, während linke Parteien bisher nur in den südeuropäischen Ländern stärker werden. Andreas Kemper wird anhand der AfD die Rolle rechtspopulistischer Netzwerke für diese politische Dynamik erläutern. Denn die Formierung einer rechtspopulistischen Partei hat antifeministische, rassistische und neoliberale Positionen und Bewegungen in Deutschland deutlich gestärkt und weithin wahrnehmbar gemacht. Die Rechtspopulist_innen gerieren sich dabei gerne als seriös und grenzen sich offiziell von ‚Rechtsextremen‘ ab, um dann um so ungenierter als geistige Brandstifter aufzutreten. Ob Euro-Krise, Ukraine-Konflikt, Geschlechtergerechtigkeit oder Einwanderung: Die AfD vereint zu fast allen Fragen verschiedene reaktionäre Fraktionen und Positionierungen und kann diese in Wahlerfolge verwandeln.
So hat die Alternative für Deutschland scheinbar aus dem Nichts fast den Sprung in den Bundestag geschafft. Seither konnte sie bei allen Landtagswahlen und der Europawahl in die Parlamente einziehen. Der Soziologe Andreas Kemper wird in seinem Vortrag der Frage nachgehen, welche rechtspopulistischen Strömungen sich in der AfD zusammengeschlossen haben und welche (europäischen) Netzwerke dahinter stehen. Hierbei arbeitet er neoliberale, klerikal-aristokratische und nationalkonservative Positionen heraus, die jeweils eigene Forderungen stellen und durch den gemeinsamen Wunsch nach mehr Ungleichheit zusammengehalten werden. In dem an Wahlen armen Jahr 2015 wird sich zeigen, welche Fraktion sich in der AfD durchsetzt, und ob diese Partei beim Rechtsruck in Europa eine Rolle spielen wird.
Beginn: 20 Uhr