Vermisst und ermordet – die Gewalt an indigenen Frauen in Kanada
von Monika Seiller
1017 indigene Frauen wurden in den Jahren 1980 bis 2012 in Kanada ermordet, 164 gelten als vermisst und 225 weitere Fälle sind ungeklärt. Diese schockierende Zahl veröffentlichte die RCMP, die kanadische Bundespolizei, in einem Bericht vom Mai 2014. Tatsächlich deuten die jüngsten Untersuchungen eher auf die doppelte Zahl an Opfern hin, wie auch die Indigenenministerin Carolyn Bennett im Frühjahr 2016 einräumen musste.
Erstmals hatte die Native Women’s Association of Canada (NWAC) 2004 mit dem Bericht „Sisters in Spirit“ das erschreckende Ausmaß der Gewalt an indigenen Frauen in Kanada an die Öffentlichkeit gebracht. Die NWAC hatte damals 582 Fälle dokumentiert, warnte jedoch vor einer deutlich höheren Dunkelziffer. Obwohl die Situation auch von weiteren Menschenrechtsorganisationen bestätigt wurde, u.a. von Amnesty Canada, weigerten sich die Behörden, die Zahlen anzuerkennen. 2013 wies zudem eine Untersuchung von Human Rights Watch nach, dass in vielen Fällen auch die Polizeibe-hörden in die Gewalt an indigenen Frauen verstrickt sind. Derzeit machen die sexistischen und gewalttätigen Übergriffe der Provinzpolizei in Quebec Schlagzeilen.
Erst nach Jahren des Protests hat die Regierung von Premierminister Justin Trudeau im August 2016 eine nationale Kommission zur Untersuchung der Situation einberufen. Dennoch ignoriert die Öffentlichkeit die Situation weitgehend und die Regierung hat bislang noch keine substantiellen Maßnahmen ergriffen, um das Leben der Frauen zu schützen. Die Zahl der vermissten und ermordeten Frauen verdeutlicht die bestürzenden Umstände, unter denen die Ureinwohner Kanadas noch heute am Beginn des 21. Jahrhunderts leiden müssen.
Offen ab 20 Uhr / Vortrag ab 21 Uhr