Dilemmata emanzipatorischer Praxis in Zeiten der Krise
Vor nur anderthalb Jahren feierte ein breites Spektrum der europäischen Linken euphorisch den Wahlerfolg von Syriza. Man erwartete Politisierungen auch über Griechenland hinaus, denn die Chancen für Kapitalismuskritik schienen kaum je besser zu stehen. Umso nüchterner bilanziert der Publizist und Aktivist John Malamatinas nach der Wiederwahl von Alexis Tsipras im Herbst 2015: „Wer in kurzer Zeit die Macht ergreifen möchte, um die Gesellschaft zu verändern, verändert hauptsächlich sich selbst. Das ist kein Affront gegen Syriza-Anhänger, sondern die Realität des politischen Geschäfts.“ Zugleich habe ja auch niemand „eine direkte Einführung des Sozialismus erwartet. Wer Syriza wählte, wusste, was er bekommt: die Hoffnung auf eine sozialere Verwaltung der Krise“. Der Hoffnungsträger Tsipras wurde nach dem Kurswechsel seines Bündnisses selbst zum Verwalter von Sachzwängen. Mittlerweile jedoch zeigen sich neue außerparlamentarische Widerstände gegen die rigiden Austeritätsmaßnahmen. Anfang Februar 2016 legte ein Generalstreik in Griechenland große Teile des öffentlichen Lebens lahm. John Malamatinas war dabei und wird über aktuelle Ansätze der Selbstorganisation sowie soziale Kämpfe am Rande der Festung Europa berichten. Zudem wird er seine Kritik an der von Yanis Varoufakis kürzlich in Berlin gegründeten paneuropäischen Bewegung #DiEM25 vorstellen. Im Kern geht es ihm um Chancen und Grenzen emanzipatorischer Organisierung im Kontext linksreformistischer Realpolitik. Zu diskutieren ist schließlich, welche Lehren aus der griechischen Tragödie auch für eine linksradikale Praxis hierzulande gezogen werden können.
Der Referent publiziert seit Jahren zur politischen Entwicklung in Griechenland. Er sucht nach emanzipatorischen Potenzialen staatsferner Bewegungen und kritisiert nationalistische Formen der Krisenbearbeitung.
20 Uhr
Aus der Reihe „Grande Union Abgrund“